Was lässt sich tun, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren? Laut Statista werden bis zum Jahr 2100 rund 10,35 Milliarden Menschen auf der Welt sein. Die urbane Landwirtschaft soll die Lösung für den Welthunger sein.
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Urbane Landwirtschaft: Gemüse aus dem Ballungsgebiet
Schon jetzt hungern Millionen von Menschen und ein Ende des Welthungers ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Mit zunehmender Weltbevölkerung dürfte sich das Hungerproblem noch weiter verschärfen. Die Suche nach Lösungen ist allgegenwärtig. Nun wird in jüngster Zeit wieder verstärkt auf die urbane Landwirtschaft gesetzt. Das Konzept ist nicht neu und schon seit vielen Jahrzehnten wird in einigen Städten Obst und Gemüse angebaut. Ein gutes Beispiel dafür ist Kuba, auch wenn es dort um den Anbau von Marihuana geht.
Die Pflanzen werden in der Stadt perfekt kultiviert. Was mit Drogen möglich ist, muss doch auch mit Lebensmittelpflanzen möglich sein, haben sich viele gedacht. Unter anderem die Humboldt-Universität Berlin hat sich mit verschiedenen Unternehmen zusammengetan und forscht an Projekten, bei denen es um die urbane Landwirtschaft und deren Potenzial geht.
Video: Wie der Klimawandel Städte aufheizt und wie Urban Gardening das ändern kann | Quarks
Gründe für die urbane Landwirtschaft
Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2050 rund 80 Prozent der Menschen in urbanen Ballungszentren leben. Das Wachstum der Weltbevölkerung ist ein ernährungstechnisches Problem, dem mit den Möglichkeiten der urbanen Landwirtschaft begegnet werden soll.
Durch die Urbanisierung schwinden landwirtschaftliche Nutzflächen. Daher können eher weniger als mehr Menschen ernährt werden. Die Landwirtschaft steht unter Druck und ist doch nicht in der Lage, die Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Durch die städtische Umgebung ist die weitere Ausweitung der Flächen nicht möglich.
Die urbane Landwirtschaft scheint eine Lösung zu sein, um dem wachsenden Flächenbedarf zu begegnen. Dabei ist diese Form der Landwirtschaft viel mehr als nur urbanes Gärtnern, das häufig mit dem Pfriemeln im eigenen Schrebergarten in Verbindung gebracht wird.
Die urbane Landwirtschaft soll also die folgenden Ziele erreichen:
- Nutzung vorhandener Flächen in der Stadt
- Verbesserung der Ernährungssituation weltweit
- “gesündere“ Methoden anwenden, Verzicht auf Pestizide und Düngemittel
- Erreichen wirtschaftlicher Wachstumsziele
- Eindämmung des Flächenverbrauchs
So geht urbane Landwirtschaft
Urbane Landwirtschaft soll die bisher nicht genutzten Dachflächen in der Stadt nutzen. Experten gehen davon aus, dass rund 70 Prozent des Gebäudebestandes mit Dachflächen versehen sind, die für die Landwirtschaft nutzbar sind. Die Potenziale, die sich hier ergeben, sind groß. Zum einen kommt auf den Dachflächen das meiste Licht an, das für Pflanzen unverzichtbar ist. Sie wachsen und gedeihen besonders gut, teilweise deutlich über ihre saisonal typische Zeit hinaus.
Außerdem kann die Abwärme des Gebäudes genutzt werden, was ebenfalls dazu beiträgt, die Wachstumszeiten zu verlängern und die Ernteerträge zu erhöhen. Insofern ergeben sich ausgezeichnete Synergieeffekte, denn neben der Abwärme des Gebäudes kann auch das Brauchwasser genutzt werden. Dieses wird entsprechend aufbereitet und kann den Pflanzen auf dem Dach als Wasser und Nährstofflieferant dienen.
In dem Zusammenhang ergeben sich einige wichtige Herausforderungen. Zum einen muss die Dachfläche groß genug sein, um die Erträge gegenüber dem Aufwand deutlich größer werden zu lassen. Bei zu kleiner Dachfläche ist der Kosten-Nutzen-Faktor nicht mehr ausgewogen. Wichtig ist darüber hinaus, dass Fluchtwege und Absturzsicherungen für die Menschen, die auf den Dächern arbeiten, gegeben sind. Diese erfordern eine umfassende Sicherheitsplanung und bedeuten gegebenenfalls zusätzliche Investitionen.
Urbane Landwirtschaft kann noch mehr
Auch wenn es vorrangig darum geht, den wachsenden Hunger der Welt zu stillen, so sind doch auch andere Potenziale der urbanen Landwirtschaft überaus interessant. Es können beispielsweise lange Liefer- und Kühlketten entfallen, denn die Produkte werden in der Nähe ihrer Erzeugung wieder verkauft. Sie können beispielsweise den Bewohnern des Hauses angeboten oder auf dem örtlichen Wochenmarkt veräußert werden.
Verbraucher sehen die neue Art des Gemüseanbaus zwar noch skeptisch, doch sie werden mehr und mehr auf die Vorzüge der urbanen Landwirtschaft aufmerksam. Der regionale Anbau mit unverkennbar positiven Umweltauswirkungen dürfte auch die größten Skeptiker überzeugen. Zudem können die Verbraucher hier auch sehen, woher die Lebensmittel stammen, denn bei einer Kooperation mit einem örtlichen Supermarkt ist es möglich, direkte Einblicke in die Produktion zu geben.
Aufwendige Verpackungen können ebenfalls entfallen, denn zum einen müssen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse weniger stark gesichert werden, weil kein langer Transportweg anfällt. Zum anderen können Verbraucher dazu aufgefordert werden, eigene Verpackungen mitzubringen, um den Umweltnutzen zu erhöhen. Damit verbunden sind Kosteneinsparungen für die produzierenden Unternehmen.
Video: Urbane Landwirtschaft: inFARMING® | Interview mit Volkmar Keuter Fraunhofer UMSICHT
Herausforderungen und Probleme der urbanen Landwirtschaft
Die urbane Landwirtschaft muss auf Schlüsseltechnologien setzen, um erfolgtreich zu sein. In guter alter Ackerbauernmanier wird sich kein Unternehmen damit rühmen können, die Pflanzen per Hand zu setzen, zu gießen und zu ernten. Heute müssen hier Maschinen die Arbeit übernehmen, das Internet of Things (IoT) ist ein wichtiger Bestandteil der urbanen Landwirtschaft. Generell setzt die Landwirtschaft mehr und mehr auf die Nutzung der Errungenschaften moderner Technologie und setzt unter anderem Sensoren und Roboter ein.
Herausforderungen durch neue Technologien
Ohne moderne Technologien und Künstliche Intelligenz wird die urbane Landwirtschaft Experten zufolge kaum eine Chance auf Erfolg haben.
Investiert werden muss unter anderem in diese Errungenschaften der Moderne:
- Kameras, Sensoren und weitere Wahrnehmungstechnologien
- Künstliche Intelligenz
- Autonome oder automatisierte Mechatronik
Die Sensoren sind in der Lage, das Wohlergehen der Pflanzen zu beurteilen. Sie merken schon lange, bevor das menschliche Auge dies sehen kann, ob Wasser oder Nährstoffe fehlen. Durch die Automatisierung ist eine direkte Nachdosierung möglich. Die Arbeit des Menschen muss mehr und mehr reduziert werden, damit diese Form der Landwirtschaft rentabel praktiziert werden kann. Lediglich das Anpflanzen der Jungpflanzen kann noch nicht durch Roboter übernommen werden, hierfür ist immer noch die menschliche Arbeitskraft nötig.
Probleme der urbanen Landwirtschaft
Die Universität Passau hat sich neben einigen anderen Forschungseinrichtungen hinlänglich damit beschäftigt, ob der Trend der urbanen Landwirtschaft eine Zukunft haben kann. Zum einen wird die Möglichkeit des Geldverdienens für eine Vielzahl von Unternehmen gesehen. Die Konkurrenz wächst und es werden immer neue Verbesserungen nötig, um Arbeitsschritte zu sparen und kostengünstiger zu produzieren. Ob dies am Ende nicht zulasten der angebauten Lebensmittel geht, ist noch nicht gewiss.
Außerdem sind auch weitere Schwachpunkte des Konzepts offensichtlich, über die sogar in der Vergangenheit schon diskutiert wurde. Ein Beispiel: Im Jahr 1970 wurde eine Pflanzenfarm von General Electric ins Leben gerufen. Diese basierte einzig auf künstlichem Licht, die Pflanzen bekamen nie das natürliche Sonnenlicht ab. Derartige Neuerungen werden von den Verbrauchern oft eher skeptisch gesehen. Ist die Nachfrage nicht groß genug, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. So geschehen auch bei General Electric; das Unternehmen musste sein Projekt mangels Rentabilität schon bald wieder beenden.
Als Problem wird zudem die städtische Luftverschmutzung gesehen. Soll das Obst oder Gemüse tatsächlich gesund sein, auch wenn weniger Pestizide und Düngemittel eingesetzt werden? Hier muss differenziert werden, denn die Lebensmittel, die direkt neben einer viel befahrenen Straße angebaut werden, sind tatsächlich deutlich stärker belastet. Andere wiederum, die im 30. Stock oder höher angebaut werden, sind fast frei von Stadtstoffen, die durch den Straßenverkehr entstehen. Sie sind einfach weit genug von den Straßen entfernt. Dies ergaben Untersuchungen eines urbanen Landwirtschaftsprojekts in New York, bei dem das Gemüse auf dem Dach eines Wolkenkratzers angebaut wird.
Ein tatsächliches Problem ergibt sich bei der Tierhaltung in der Stadt. Die bereits bekannt gewordenen „Schweinehochhäuser“ haben nur für Empörung gesorgt. Auch wenn dort aus Unternehmenssicht ein wirtschaftliches Vorgehen möglich ist, steht doch das Tierwohl in keinem Verhältnis zum finanziellen Nutzen. Eine gewisse Skepsis ist also angebracht und die urbane Landwirtschaft sollte sich vorrangig auf den Pflanzenbau konzentrieren.