Ein französischer Arzt stellte an der Charité vielversprechende Ansätze für eine Behandlung der Augenkrankheit Retinitis pigementosa zur Diskussion. Seine Mittel der Wahl sind dabei Gentech– und Elektrotechnik.
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Retinitis Pigmentosa: langsamer Sichtverlust
Die Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa zeichnet sich durch einen schleichenden Verlust des Sehvermögens aus. Ursache dafür sind etwa siebzig verschiedene Gene, die dafür sorgen, dass die Rezeptoren in den Augen für das Hell-Dunkel und Buntsehen nach und nach ihre Arbeit einstellen. Ohne diese Zäpfchen und Stäbchen ist aber der Sehapparat nicht in der Lage, Licht welches von außen auf die Netzhaut trifft, in Gesehenes umzuwandeln. Weltweit sind Schätzungen zufolge etwa zwei Millionen Menschen davon betroffen. Für Deutschland geht man von ca. 40 000 Betroffenen aus.
Optogenetik: Stein der Weisen?
Mit der Optogenetik verbinden viele Laien wahre Heilsversprechen. Wer die Presse der letzten Jahre verfolgte, konnte dort fantastische theoretische Anwendungsgebiete dieser angeblich brandneuen Technik erleben. Von tauben Menschen, die anscheinend ihr Hörvermögen zurückerlangten, Suchtkranken, die quasi über Nacht von ihren Abhängigkeiten geheilt wurden, Dementen, die sich wieder erinnerten bis hin zu Blinden, die plötzlich sehen konnten. Aber auch über Mäuse, die mittels Lichteinfluss zu wahren Killermaschinen wurden, wird in der Boulevardmedien berichtet. Branchenkenner verbannen vieles davon ins Reich des Irrealen.
Optogenetik: Viel Forschung, wenig Praktisches
Zwar ist die Optogenetik keine allzu neue Technologie mehr. Seit über 30 Jahren wird in diesem Gebiet geforscht. Dennoch konnten bisher wenig große praktische Durchbrüche vermeldet werden. Vieles befindet sich noch immer im experimentellen Stadium. Kern des Forschungsgebiets ist die Manipulation defekter Genetik durch Lichteinflüsse. Dabei werden gentechnische Verfahren angewandt, mit denen man Gene so umbaut, dass sie wie Lichtschalter von äußerliche Reize eingeschaltet werden können. Bisher nutzte man in Laborversuchen die wenigen noch funktionierenden Lichtrezeptoren in Augen der zu Behandelnden und injizierte dort Viren mit lichtempflichen Kanälen. Diese sorgten dann für die für den Sichtprozess notwendigen Lichtreaktionen. Für die praktische Anwendung gibt es in Europa bisher nur ein sehr teures Gentech- Medikament, das auch nur bei noch nicht völlig Erblindeten zum Einsatz kommen kann. Das trifft auf etwa ein Prozent aller Betroffenen zu.
Sahel: Gentechnik für rudimentäres Sehen
Der Augenarzt José-Alain Sahel aus Frankreich hat nun eine auch für seine Kollegen bemerkenswerte Technik entwickelt, die er erst an Affen und dann menschlichen Probanden testete. Dabei reparierte er im ersten Ansatz zunächst die genetische Struktur der Netzhaut, indem er neugeschaffene Proteine und Übertragungsvektoren optimierte. Dann injizierte er Probanden Trägerviren mit diesen Proteinen auf Grünalgenbaus ins Auge, die dort Ionenkanäle zur Lichtaufnahme bildeten. Sie sollten aufgefangene Signale ins Gehirn weiterleiten. Da diese aber allein nicht über die nötige Energie verfügten, den Sehvorgang selbstständig abzubilden, verknüpfte er alles mit elektronischen Augen, die vor dem Kopf angebracht werden. Diese experiemtelle Kamerabrille sorgte dafür, dass Bilder in Echtzeit vollständig erfasst und auf Netzhäute gebracht wurden. Zielstellung war es auch Patienten in den Genuss der neuen Therapie kommen zu lassen, die nicht das Glück haben, über noch genügend intakte Zellen zu verfügen.
Sahel: Wunder für vollständig Erblindete
Sahel konnte nachweisen, dass er mit dieser Methode einem etwa 58 Jahre alten Mann, der seit Jahrzehnten überhaupt nichts mehr sieht, die Fähigkeit verleihen konnte, zumindest Umrisse von Objekten wie Türrahmen oder Gegenständen auf Tischen erkennen konnte. Sieben Monate nach Beginn der Therapie war die bis dato völlig erblindete Testperson mit der Sichtprothese in der Lage, die Anzahl der Zebrastreifen auf der Straße korrekt wiederzugeben. Auch wenn das nur etwa acht Prozent eines gesunden Sehenvermögens ausmacht, ist das nicht nur ein wahrer Meilenstein für viele Blinde. Er bedeutet auch einen riesigen Schritt in der Forschung. Zum ersten Mal konnte der therapeutische Nutzen der Optogenetik in der Augenheilkunde belegt werden.